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01.06.2018 | Wie man Deutschland ruiniert

Mit der CSU in den DEXIT...

Ties Rabe

Die CSU hat gelernt. Von Donald Trump, Marie Le Pen und den Brexit- Fanatikern. Das Prinzip ist einfach: Erstens: Man braucht ein Thema, das Menschen emotionalisiert und spaltet. Dabei ist es egal, ob es wirklich ein Problem gibt, Hauptsache Emotionen. Zweitens: Man braucht ein Feindbild (die „Bösen“). Drittens: Man braucht ein radikales und einfaches Rezept, mit dem man alle anderen Politiker als Bedenkenträger verunglimpfen kann. Und viertens: Man darf auf keinen Fall einen ordentlichen Plan vorstellen. Sonst würden alle schnell merken, dass man großen Blödsinn erzählt. Die CSU macht genau das. Als Feindbild: EU, Islam, Migranten, Flüchtlinge. Am besten alle zusammen. Als Rezept: ein nationaler Alleingang wie zum Beispiel „America first“ oder „Grenzen dicht“ (CSU). Als „Nicht-Konzept“: Seehofers 63-Punkte-Geheim-Plan, den niemand kennt. Was man aber mittlerweile genauer kennt, sind die Folgen solcher Politik. Zu besichtigen sind sie in den USA mit einer immer tiefer gespaltenen Gesellschaft, in der die Grenze zwischen Politik und Schlägerei verschwimmt. Die Katerstimmung wird kommen. Aber dann ist es vielleicht zu spät. Was tun? Ich meine: Ehrlich sagen, was wahr und was vernünftig ist. Auch wenn man so nicht den letzten aufgewühlten Internet-Fanatiker erreicht. Aber vielleicht die Menschen mit einem klaren Kopf. Denen sollten wir sagen: Die Flüchtlingswelle ist vorüber. 2015 kamen rund 900.000 Flüchtlinge nach Deutschland, heute ist es nur noch ein Fünftel. Es gibt deshalb zurzeit kein großes Problem mit neuen Flüchtlingen. Zudem geht es bei dem CSU-Streit nicht einmal um alle Flüchtlinge, sondern nur um eine relativ kleine Gruppe von 42.000 Flüchtlingen. Sie kommen jährlich nach Deutschland, obwohl sie nach dem früheren EU-Dublin-Abkommen eigentlich in einem anderen EU-Land Asyl beantragen sollten. Gegen die angebliche „Flüchtlingskrise“ oder die lange verebbte „Flüchtlingswelle“ hilft der CSU-Vorschlag also gar nicht. Die Versorgung dieser 42.000 Menschen kostet jeden Einwohner Deutschlands pro Monat rund 35 Cent. Das ist ein Problem, aber vermutlich nicht das größte in Deutschland. Angesichts von 2,5 Millionen Arbeitslosen, Pflegenotstand oder Wohnungsnot in den Metropolen könnte man auf die Idee kommen, dass es auch andere Probleme gibt. Allein die Mietsteigerungen eines Jahres belasten jeden Münchner pro Monat durchschnittlich mit 13,50 Euro. 40mal mehr als die 42.000 Flüchtlinge kosten. Und Seehofers Plan, die Grenzen zu schließen? Experten haben errechnet, dass eine ordentliche Bewachung der rund 450 deutschen Grenzübergänge fast doppelt so viel kostet wie die Versorgung der 42.000 Flüchtlinge – und „dicht“ wäre die Grenze dann immer noch nicht, da müsste man schon eine Mauer bauen (vielleicht wie die USA zu Mexiko?). Übrigens: An zwei bayerischen Grenzorten ist der Seehofer-Plan umgesetzt. Dort werden jedes Jahr die längsten Staus in Deutschland (!) gemessen, letztes Jahr manchmal über 30 Kilometer, durchschnittliche Wartezeit jeden Tag: drei Stunden. Was das wohl kostet... Doch das sind eher Kleinigkeiten. Das wahre Argument ist die EU. Die EU hat in den letzten Jahren schrittweise viele Streitfragen der Staaten gemeinsam geklärt. Das ist gut – gerade für uns. Dadurch stopfen wir zum Beispiel Steuerschlupflöcher und Steueroasen. Dadurch sorgen wir für einen gemeinsamen Binnenmarkt und faire Wettbewerbsregeln, bei denen kein Land herumtrickst. Und durch die EU schaffen wir verbraucherfreundliche Regeln: preiswerte Handy- Tarife, Obergrenzen für Umweltverschmutzung, freien Grenzübergang für Urlauber, Reisende und Wirtschaftsverkehr. Nur wegen der EU ist Deutschland sehr, sehr wohlhabend: Umgerechnet 20% unserer gesamten Wirtschaftsleistung verdanken wir Exporten in EU-Länder, rund 9 Millionen Vollzeit- Jobs hängen direkt daran. Nur, weil wir in der EU ein verlässlicher Partner sind, haben die anderen Länder damals der Wiedervereinigung zugestimmt. Und die EU könnte uns auch vor den Wirtschaftsangriffen von Donald Trump schützen. Könnte. Das geht aber nur, wenn wir als das mächtigste EU-Land solidarisch sind und uns an die EU-Regeln halten. Kleine Länder können herumtricksen. Das ist ärgerlich und muss abgestellt werden. Aber daran geht die EU nicht zugrunde. Wenn aber die großen Länder die Regeln brechen, ist von Europa bald nichts mehr übrig. Wir sind das größte Land, wir geben den Takt vor, ob wir wollen oder nicht. Eine sehr wichtige EU-Regel sagt: Wir schützen gemeinsam die Außengrenzen der EU, aber innerhalb der EU sind die Grenzen offen. Gewiss, diese und andere EU-Regeln sind noch nicht perfekt. Sie haben noch Löcher. Durch eines dieser Löcher kommen vielleicht jedes Jahr 42.000 Flüchtlinge. Durch ein anderes verschieben Steuertrickser immer noch Millionen. Aber die Regeln sind doch gut genug, dass wir in Frieden und Wohlstand leben. Und übrigens halten unsere Regeln – zum Beispiel die Sicherung der EU-Außengrenzen – auch jährlich 100.000e Flüchtlinge davon ab, direkt nach Deutschland zu fliehen. Deshalb gibt es nur einen Weg für Deutschland: Die Regeln der EU zu verbessern und Regel-Lücken zu schließen. Wenn wir das nicht tun, sind wir bald allein. So wie England. Und ohne die EU geht es um 9 Millionen Jobs und einen Wirtschaftskrieg gegen Donald Trump, den wir allein nicht gewinnen können. Da nehme ich für eine Übergangszeit lieber die 35 Cent in die Hand und arbeite daran, dass es gemeinsam eine Lösung gibt.